Walter Herr

Student am Staatskonservatorium 1935 bis 1939

Vorbemerkung: Die biographische Skizze beruht auf den Dokumenten, die Brigitte Franz, die Tochter Walter Herrs, 2015 und 2016 der Hochschule als Geschenk überlassen hat, sowie ihren mündlichen Erläuterungen.

geb. 6.8.1919 in Lohr am Main

Vater: Adolf Herr (12.4.1896-9.12.1960), Musiklehrer und Stadtkapellmeister in Lohr (siehe Abb. 1)

Familie: Herrenschneider, Heimarbeit mit Angestellten

Besuch der Volksschule in Lohr 1926-1934

Besuch der Städt. Berufsschule (Gewerbe- und Handelsabteilung) in Lohr 1934-1937 (siehe Abb. 2)

Studium am Staatskonservatorium der Musik Würzburg (Hauptfächer Flöte und Klavier) 1935-1939 (siehe Abb. 3-5)

April-Sept. 1939 Dienst beim Reichsarbeitsdienst (Musikzug)

1940-1945 Soldat (Musikkapelle), u.a. in Jugoslawien, Rumänien, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei (siehe Abb. 6-7)

26.6.1945 Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in Ochsenfurt

1946 Einstellung des Spruchkammerverfahrens (siehe Abb. 8)

ab 1.8.1945 Tätigkeit als Privatmusiklehrer u. Leiter der Stadtkapelle Lohr (siehe 9-10)

Die Leitung der Stadtkapelle war eine nebenamtliche Tätigkeit, für die die Stadt in den 1970er-Jahren eine Aufwandsentschädigung in Höhe von ca. 350 DM im Monat bezahlte.[1]

1946 Gründung des Akkordeon-Orchesters (siehe Abb. 11)

gest. 12.4.1975 (siehe Abb. 12)

Nachfolger als Leiter der Stadtkapelle: Kurt Herr, Bruder von Walter Herr, 1936-1939 Studium am Staatskonservatorium der Musik Würzburg (Hauptfach Posaune) (siehe Abb. 13)

Kommentar: Der berufliche Lebensweg von Walter Herr weist bei aller Individualität Züge auf, die typisch für die Generation der männlichen Studierenden des Staatskonservatoriums in seiner Zeit ist. Dazu zählen die Herkunft aus dem kleinen Mittelstand (hier aus einer im Landkreis ansässigen gewerbetreibenden Familie), in der die Musikpflege in der Freizeit einen festen Platz hatte, die achtjährige Volksschulbildung, die lange Zeit als Soldat (die er als Mitglied einer Musikkapelle glimpflich überstand) und die anschließende Betätigung als Musiklehrer sowie Leiter einer Stadtkapelle. Der Besuch der Städtischen Gewerbeschule als Jugendlicher in Lohr weist darauf hin, dass die professionelle Musikausübung nicht unbedingt als Berufsweg geplant war. Sie ergab sich erst nach dem Krieg, wobei die Verankerung der Familie im Musikleben der Kleinstadt eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte. Das Foto der Stadtkapelle von 1960 zeigt, dass das Ensemble fast eine Art Familienbetrieb der Herrs war. Während der Studienzeit fiel Walter Herr, der bei Hermann Zanke Unterricht hatte, in keiner Weise auf. Die einmalige Beteiligung an einer Schüleraufführung in seinem letzten Studienjahr spricht hier für sich. Sie lässt vermuten, dass seine Leistungen während der Unterrichtszeit eher mittelmäßig waren. Dies mag erklären, warum er keine Abschlussprüfung abgelegt hat. Und doch stand das fehlende Zeugnis seiner späteren Berufstätigkeit in Lohr nicht im Weg. Die Kreativität und das Organisationsgeschick in der unmittelbaren Nachkriegszeit, die er bei der der Gründung des Akkordeonorchesters unter Beweis stellte, zählten viel mehr als das Stück Papier.

(Christoph Henzel)

Fußnote

[1] Freundliche Auskunft von Heribert Rauch (Stadt Lohr a. Main, Personalverwaltung) vom 20.5.2015.