Gertrud Then

über ihre Studienzeit am Staatskonservatorium der Musik Würzburg

Gertrud Then geb. Markert (18. Juli 1938) stammt aus Markelsheim/Bad Mergentheim, verbrachte die Grundschuljahre in Gemünden a. Main und besuchte danach die Ursulinenschule in Würzburg. Nach dem Schulabschluss 1954 studierte sie bis 1960 am Staatskonservatorium für Musik. 1958 legte sie die Privatmusiklehrerprüfung ab. Anschließend absolvierte sie einen Fortbildungslehrgang an der Albert-Greiner-Singschule in Augsburg. Von 1963 bis 1980 arbeitete sie, unterbrochen von einer längeren Kindererziehungspause, als Lehrerin an der Ursulinenschule und an der Sing- und Musikschule in Würzburg. Nach der Beendigung der Berufstätigkeit blieb sie musikalisch aktiv (Soloauftritte, Kammermusik, Liedbegleitung, Privatunterricht). Ihre Hobbys: die französische Sprache (Literatur, Geschichte)[1], Mineralien und Reisen.

Vorbemerkung: Es handelt sich um die gekürzte Fassung eines am 11. März 2014 geführten Gesprächs. Die Fragen stellte Christoph Henzel. Der Text wurde im Podium Nr. 3 (2014) veröffentlicht. Die Fußnoten stellen Ergänzungen aus dem Februar 2015 dar.

CH: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Musik zu studieren?

GT: Bei uns zuhause stand ein Klavier. Meine Mutter hatte sechs Jahre Klavierunterricht gehabt und spielte gut, aber nicht regelmäßig. Auch mein Vater spielte Klavier. Er improvisierte oft bei Familienfeiern Tanzmelodien und spielte dabei meistens auf den schwarzen Tasten. Er wollte in seiner Jugend Musik studieren, durfte aber nicht. Er ist dann Zahnarzt geworden.

Ich selber habe mit ca. 12 Jahren angefangen Klavier zu spielen, tat dies aber ohne große Begeisterung. Meine Klavierlehrerin war eine Patientin meines Vaters. Sie unterrichtete mich und meine Geschwister. Erst mit der Zeit bekam ich mehr Spaß daran. Das hing damit zusammen, dass ich in das Internat der Ursulinenschule aufgenommen wurde. In Gemünden gab es nämlich keine höhere Schule. Hier in Würzburg hatte ich einen guten Klavierunterricht. Ich habe gestützt auf einen Plan regelmäßig und viel geübt. Meine Klassenkameradinnen haben mich darin auch angespornt. Überhaupt herrschte an der Schule eine sehr musikalische Atmosphäre: Wir haben gesungen, auch im Schulchor, lauschten Orgelkonzerten. Außerdem hatten wir einen gründlichen theoretischen Unterricht. Mein besonderes Interesse, ja meine Zuneigung galt damals Ludwig van Beethoven, dem Komponisten, aber auch dem Menschen. Das ist eigentlich bis heute so geblieben. Jedenfalls habe ich schon vor der Abschlussprüfung den Entschluss gefasst, Musik zu studieren. Unterstützt hat mich darin besonders meine Mutter.

CH: Erinnern Sie sich an die Aufnahmeprüfung?

GT: Ja, ich habe Mozarts Klaviersonate C-Dur KV 545 vorgespielt. Außerdem musste ich mich, glaube ich, einer Gehörprüfung unterziehen: Ich musste Terzen, Quinten, Dreiklänge usw. hören. Aber alles verlief gut. Und so begann mein Studium im September 1954.[2]

CH: Bei wem hatten Sie Klavierunterricht?

GT: Im Verlauf des Studiums bei drei Professoren: Zuerst bei Heinz Knettel, dann bei Karl Michael Leonhardt und schließlich bei Karl Wingler. Alle drei waren sehr gute und gewissenhafte Lehrer und auch ausgezeichnete Pianisten. Jeder hatte sein Spezialgebiet, ohne jedoch einseitig zu sein. Prof. Knettel war als einfühlsamer Liedbegleiter bekannt, Prof. Leonhardt bevorzugte Bach und Mozart, Prof. Wingler dagegen war ein Virtuose, der besonders die Musik von Chopin und Liszt beherrschte.

CH: Wie haben Ihre Lehrer unterrichtet? Was für Menschen waren sie?

GT: Prof. Knettel hörte sich zuerst, ohne dass er unterbrach, das ganze Stück an und ging dann auf die Stellen ein, mit denen er nicht zufrieden war. Wenn er mit dem Rhythmus nicht einverstanden war oder man das Tempo nicht genau einhielt, nahm er auch mal einen Stuhl, der in der Nähe stand, und klopfte damit auf den Boden. Er war oft ungeduldig. Natürlich hatte er es mit mir am schwersten im Vergleich mit den beiden anderen Professoren, denn er musste meine Anfangsschwierigkeiten ausbügeln, außerdem stand er auch kurz vor dem wohlverdienten Ruhestand. Ziemlich bald traute er mir dann schon anspruchsvollere Werke zu wie das Scherzo e-Moll von Mendelssohn, eine Schumannn-Arabeske, ja sogar den 1. Satz eines Mozart-Konzertes. Er war streng und verlangte viel, war auch manchmal unfreundlich. Aber ich habe viel bei ihm gelernt und bin ihm dafür sehr dankbar.

CH: Heinz Knettel hat auch Cembalo unterrichtet…

GT: Das hatte für mich keine Bedeutung.

Nun zu Prof. Leonhardt: Er machte auf die Studenten den Eindruck einer etwas unnahbaren, stolzen Respektsperson, wirkte manchmal nervös und sprach sehr schnell, aber er war höflich und zu seinen Studentinnen und Studenten sehr freundlich. Er war sehr stolz darauf, ein Schüler von Hermann Zilcher gewesen zu sein. Vielleicht war er auch ein wenig eitel, denn er trug oft die typische Wagnermütze. Sein Ruf als Bachspezialist ging weit über das Konservatorium hinaus; er gab Konzerte und machte Aufnahmen für den Rundfunk. Im Unterricht zeigte er Geduld; er erklärte die schwierigen Stellen gut oder spielte sie vor, was übrigens auch manchmal Prof. Knettel tat. Auf interessante und feinsinnige Art und Weise führte er mich in die Welt von J. S. Bach ein, indem er mich, mit ausführlichen Erklärungen verbunden, wunderbare Werke studieren ließ. Ich spielte das Italienische Konzert, Fugen und Suiten. Die Französische Suite in E-Dur habe ich auswendig in einem öffentlichen Konzert im Regierungsgebäude vorgetragen. Ich habe bei ihm aber auch die 3. Sonate von Prokofieff, das Horn-Trio von Brahms und das 2. Klavierkonzert in B-Dur von Beethoven studiert.

Prof. Leonhardt und seine Frau züchteten niedliche weiße Pudel, die oft an Schönheitsbewerben teilnahmen und auch manchmal Preise gewannen. Er erzählte mir, dass eines dieser hübschen Tierchen während eines seiner Konzerte brav auf dem Podium unter dem Flügel gelegen und zugehört habe. Menschlich stand ich Prof. Leonhardt näher als Prof. Knettel; wir haben uns noch jahrelang Briefe geschrieben.

Bei Prof. Wingler faszinierte mich sein virtuoses Klavierspiel, besonders sein perlender Chopin. Bei ihm studierte ich nur noch Solostücke und technisch schwierige Kompositionen, viele Chopin-Etüden, das Scherzo op. 31 von Chopin, das Prélude cis-Moll von Rachmaninow, das Klavierquintett Es-Dur von Schumann, das Klavierkonzert in G-Dur von Ravel und das 5. Klavierkonzert von Beethoven. Prof. Wingler war immer gut gelaunt; privat kannte ich ihn nicht. Er hat aus den jeweiligen Stücken Zusatzübungen entwickelt, z.B. schnelle Oktavenübungen in verschiedenen Tonarten mit beiden Händen, wenn dies in einer Komposition erforderlich war. Meine theoretischen Fächer und die Geige waren damals erfolgreich abgeschlossen und so konnte ich mich nur noch dem Klavier widmen. Eine Zeitlang hatte ich den Wunsch, eine Elly Ney (mein großes Vorbild!) zu werden, aber ich wandte mich dann, auch durch den plötzlichen Tod meines Vaters, der bei einem Verkehrsunfall starb, der Schulmusik zu.

CH: Sie mussten ein Instrument als Nebenfach wählen. Worauf fiel Ihre Wahl?

GT: Weil ich den Klang der Geige schon immer liebte, wählte ich die Violine. Ich kam als blutige Anfängerin zu Prof. Krasser, und er unterrichtete mich mit viel Geduld und pädagogischem Können. Jede Woche bekam ich als Hausaufgabe ein neues Stück aus meiner Violinschule auf und spielte es ihm dann vor. Er hörte sich zuerst alles an und verbesserte dann einzelne Stellen, oder er spielte sie vor. Manchmal kam es vor, dass ich nur wenig Zeit für die Geige hatte und dann ziemlich unvorbereitet in den Unterricht kam. Er sah mir das schon an meinem Gesichtsausdruck an und wünschte sich dann, dass ich ihm ein Stück von Chopin auf dem Klavier vorspielen möge. Er war ein gutmütiger und freundlicher Mensch. Mein einziger öffentlicher und auch gut gelungener Geigenvortrag war das Largo von Händel mit Orgel anlässlich einer Hochzeit. Nach 3 Jahren beendete ich ohne Prüfung mein Violinstudium.

CH: Bleiben noch die Lehrer der Pflichtfächer…

GT: Dr. Häfner lehrte Allgemeine Musiklehre, Tonsatz, Gehörbildung, Musikgeschichte, Instrumentenkunde und Allgemeine Methodik im Privatmusiklehrerseminar. Er war ein sehr intelligenter, belesener Lehrer mit einem musikalischen Universalwissen. Er spielte die schwierigsten Sinfonien, aber auch Wagner, am Flügel, und wir saßen im Halbkreis darum herum. Dabei zeigte er uns den Aufbau des Werkes, den Melodieverlauf und die Modulationen. Oft sang er auch dazu, wenn er eine Melodie hervorheben wollte. Er sprach sehr schnell und manchmal undeutlich und eintönig, wir mussten uns sehr konzentrieren. Wir haben bei ihm aber auch Referate gehalten; so erinnere ich mich, dass ich einmal über die Entwicklung des Klaviers gesprochen habe.

Bei Prof. Lehner belegte ich die Fächer Improvisation, Sing- und Spielkreis-Übungen, Chorleitung, Chorgesang und Formenlehre. Er war sehr genau und streng, machte aber gelegentlich auch mal einen Witz.

CH: In den Jahresberichten des Staatskonservatoriums ist Ihr Name anfangs bei den internen Vorspielstunden anzutreffen. So haben Sie am 17. November 1955 die Vier kleinen Stücke von Igor Stravinskij gespielt, außerdem haben Sie Walter Koch, der Viola bei Prof. Karl Bender studierte, am 16. Mai 1956 beim Vortrag einer Sonate von Johann Sebastian Bach und am 6. Juni 1956 eines Konzerts von Carl Friedrich Zelter begleitet. Am 30. Oktober 1957 waren Sie wieder als Solistin mit Bachs Französischer Suite Nr. 6 beteiligt. Später haben Sie gelegentlich Schüler aus der Posaunenklasse von Prof. Walter Daum begleitet…

GT: Sehr gerne habe ich auch mit einigen Studierenden der Violinklasse von Heinz Endres musiziert, vor allem mit Ehrentraud Schrader, Christiane Gilek, Irmtraud Schmitt und Irene Reichling.[3] Bei den öffentlichen Konzerten habe ich außerdem am 14. Mai 1957 zusammen mit Hanna Wolter die Sonate h-Moll op. 32/1 von Karl Höller gespielt und am 4. Mai 1960 im Gartensaal der Residenz die 3. Klaviersonate von Prokofieff. Diese Sonate hatte ich kurz vorher schon bei einem vom Staatskonservatorium gegebenen Kammermusikabend bei den NSU-Werken in Neckarsulm vorgetragen. Einige Konzertprogramme habe ich aufbewahrt.

CH: Als Solistin waren Sie auch 1959 aktiv: Am 25. Februar haben Sie die Suite op. 2 von Karl Höller gespielt und am 25. November die Sonate op. 90 von Beethoven.

GT: Wenn ich 1960 als Solistin nicht so häufig aufgetreten bin, dann ist das damit zu erklären, dass ich einige sehr anspruchsvolle Werke bei Prof. Wingler einstudiert habe, die lange nicht vorspielreif waren, z.B. das Ravel-Konzert in G-Dur, Schumanns Klavierquintett Es-Dur op. 44 und das 5. Klavierkonzert von Beethoven Es-Dur op. 73. Die beiden Klavierkonzerte spielte ich mit Prof. Wingler auswendig an 2 Flügeln während der Unterrichtsstunden.

CH: Können Sie sich an andere Studierende erinnern?

GT: An diejenigen, die an den beiden Wochentagen wie ich zur gleichen Zeit die gleichen Lehrer und die gleichen Fächer hatten, kann ich mich noch sehr gut erinnern. Hanna Wolter aus Ochsenfurt: Sie studierte Kirchenmusik mit Orgel (Prof. Körber) und Klavier (Prof. Leonhardt). Wir hatten ein gutes kollegiales Verhältnis. Inge Weiss aus Nürnberg, die als zweites Instrument Klarinette bei Prof. Flackus studierte. Dann gab es noch zwei ältere Herren bei uns im „harten Kern“: Stephan Werner, der sehr gut in allen theoretischen Fächern war und später die Sing- und Musikschule Würzburg gründete. Er gesellte sich gerne zu uns Jungen dazu. Man konnte sich gut mit ihm unterhalten, er hatte ein sonniges Gemüt. Er studierte Kirchenmusik mit Orgel bei Prof. Körber und Klavier bei Prof. Leonhardt. Herr Werner hatte sehr harte Kriegsjahre hinter sich und litt immer noch an Verletzungen, an Splittern in seinem Körper. Deshalb musste er sich auch öfters Operationen unterziehen und lag manchmal wochenlang im Krankenhaus. Dann Willi Feser aus Gemünden: Er studierte Kirchenmusik mit Orgel (Prof. Körber), Klavier (Prof. Leonhardt) und Klarinette. Er organisierte mehrere Konzerte des Staatskonservatoriums in Gemünden, die von Prof. Bihn (Fagott) geleitet wurden. In unserer kleinen Seminargruppe gab es noch zwei oder drei Kirchenmusiker, an die kann ich mich aber nicht mehr erinnere. Wir verstanden uns aber alle sehr gut, führten viele Unterhaltungen und tranken auch mal ein Glas Obstwein auf dem Schützenhof.

Unter den Hospitanten war Louis Helmut Debes lange vor mir am Konservatorium. Auch er studierte Kirchenmusik. Er war ein bekannter Kirchenmusiker (Liebfrauenkirche im Frauenland), der sehr anspruchsvolle Werke von Bach wie die Matthäus-Passion zur Aufführung brachte. Ich erinnere mich an Roswitha Albert, die spätere Ehefrau des Domorganisten Paul Damjakob. Sie studierte Klavier und Gesang am Konservatorium. Sie sang öfters mit Orgelbegleitung im Dom. Dann an Liselotte Ebnet, eine Operettensängerin aus München, die bei Prof. Klink studierte. Herr Urbanke, ein evangelischer Pfarrer aus Gemünden, war ein ganz besonders begabter Geiger. Er studierte bei Prof. Krasser und spielte in unserem Gemündener Musikkreis immer die erste Geige. Tartinis Teufelstriller-Sonate und Stücke von Paganini waren für ihn ein Kinderspiel; sein virituoses Spiel war beeindruckend. Ich musizierte öfters mit ihm auch in anderen Städten. Schließlich war da noch Catarina Beyron aus Schweden, die auch bei Prof. Klink Gesang studierte. Sie wurde später als Catarina Ligendza eine berühmte Wagnersängerin. Sie gehörte auch zu unserer kleinen Gruppe, die in Lohr, Neckarsulm und Gemünden Konzerte gab. Mit dabei war auch Hatto Kallfelz aus Gemünden. Er wollte Schulmusiker werden (Klavier, Geige), bestand aber wegen seines Geigenspiels die Aufnahmeprüfung in München nicht. Als er enttäuscht aus München zurückkam, wollte er seine Geige in die Sinn werfen. Sie wissen ja, Gemünden ist eine Dreiflüsse-Stadt, da gibt es genug Wasser, um eine lästige Geige zu ertränken! Er ist dann Archivar geworden, war der spätere Direktor des Bayerischen Staatsarchivs in der Residenz. Er studierte Klavier bei Prof. Knettel und Orgel bei Prof. Körber. Wir spielten zusammen einige vierhändige Stücke unter der Anleitung von Prof. Knettel.[4]

Dann gab es damals in Würzburg ein „Wunderkind“: Ludger Maria Maxsein. Sein Lehrer war Prof. Knettel. Der junge Pianist ergriff aber später einen anderen Beruf.

CH: Können Sie sich noch an Ihre Abschlussprüfung erinnern?

GT: Ja, sie fand am 10. Juli 1958 statt. Ich spielte vor der Kommission, bestehend aus den Professoren Reinartz, Leonhardt, Wingler und Daum (die anderen weiß ich nicht mehr), den 1. Satz des 2. Klavierkonzerts von Beethoven, eine Komposition von Bach (welche genau, ist mir entfallen), drei Seiten aus einer Partitur mit alten Schlüsseln und drei Seiten eines mir unbekannten Stückes vom Blatt. Die Stücke von Bach und Beethoven, die ich auswendig vorgetragen habe, sind mir sehr gut gelungen, die alten Schlüssel einigermaßen gut. Das Blattspiel verlief etwas holprig. Zusammen bin ich auf die Note 1,6 gekommen, was als Gesamtnote auf dem Zeugnis eine 2 ergab.Ich ärgerte mich sehr, dass die 1,6 nicht wenigstens daneben in einer Klammer stand. Zu den Pflichtfächern: Dass ich in Chorleitung eine 1 bekam, verstehe ich bis heute nicht, denn ich habe auf dieses Fach keinen großen Wert gelegt. Die 3 in Musikgeschichte fand ich zu streng. Die 3 in Harmonielehre jedoch war berechtigt, denn Dr. Häfner spielte die Lösungen der Prüflinge nach der Prüfung am Flügel vor und meine klangen nach gar nichts, obwohl ich alle Regeln beachtet hatte.

CH: Wie ging es dann weiter?

GT: Zunächst habe ich, wie schon gesagt, bei Prof. Wingler weiter studiert. Dadurch, dass ich nun die theoretischen Fächer und die Geige abgelegt hatte, konnte ich mich ganz dem Klavier widmen. Acht bis neun Stunden habe ich pro Tag zuhause geübt. Mein Elly Ney-Traum platzte, als mir von der Direktorin der Ursulinenschule hier in Würzburg angeboten wurde, an der Schule zu unterrichten. Klassenunterricht gefiel mir besonders gut, ich fand diesen interessanter als Privatunterricht. Allerdings war an das Angebot als Bedingung der Besuch einer Weiterbildung an der Albert-Greiner-Schule in Augsburg geknüpft. Es war eine anstrengende Zeit mit vielen Fächern (Stimmbildung, Chorstimmbildung, Liedkunde, Formenlehre, Orff-Schulwerk, Phonetik, Praktikum im Klassenunterricht, Harmonielehre, Dirigiergymnastik, Unterrichtslehre-Pädagogik, Chorleitung, Organisationskunde, Partiturspiel und Gesang), aber es gefiel mir dort sehr gut. Auch hier waren wir nur eine kleine Gruppe von ca. 1O Leuten. Die Lehrproben in den Klassen gefielen mir am besten. Auch das Klavierspiel konnte ich weiterpflegen. Die Abschlussprüfung in Augsburg fand am 8. Dezember 1962 statt und endete mit guten zusammenfassenden Beurteilungen. Bewertet wurden die künstlerisch-pädagogische Eignung, theoretische und praktische Methodik, Chordirigieren, praktische Lied- und Satzkunde und solistisches Singen. Im Januar 1963 nahm ich meine Lehrtätigkeit an der Ursulinenschule auf. Meine Unterlagen aus Augsburg habe ich Stephan Werner gerne zur Verfügung gestellt, als er die Sing-und Musikschule in Würzburg gründete.

Zwei herausragende, wunderschöne Konzerte werde ich nie vergessen: Am 11. März 1959 spielte ich zusammen mit Karl Hammer (Horn) und Christiane Gilek (Violine) das Horntrio Es-Dur op. 40 von Brahms im Regierungsgebäude. Welche ein herrliches Werk! 1960 verabschiedete ich mich vom Konservatorium im Gartensaal der Residenz mit Beethovens 2. Klavierkonzert B-Dur op. 19. Der Dirigent war Gunter Arglebe aus Portugal, ein Schüler von Prof. Reinartz.

Abschließend möchte ich sagen, dass das Studium am Konservatorium mein Leben bis heute sehr positiv beeinflusst hat.

Fußnoten

  1. ^ Ich legte im Juli 1983 an der Dolmetscherschule Würzburg ein Examen für Französisch ab. Seitdem lese ich eifrig und stundenlang die Werke der großen französischen Schriftsteller wie z.B. Stendhal, Maupassant, Balzac, Camus, Victor Hugo, Zola, Alexandre Dumas, Jules Verne, Simone de Beauvoir usw. Zurzeit lese ich Les Miserables von Hugo. Mein Lieblingsschriftsteller ist Jules Verne, denn er versetzt einen in geheimnisvolle Traumwelten. Das ist für eine Romantikerin wie mich genau das Richtige. Natürlich höre ich französische Nachrichten und suche nach Gelegenheiten französisch zu sprechen. Leider komme ich zurzeit nicht mehr so oft nach Frankreich. Ich interessiere mich sehr für die französische Geschichte, aber nur bis einschließlich Napoleon.
  2. ^ Zu Beginn meines Studiums 1954 bestand am Konservatorium ein großer Mangel an Harfenschülerinnen. Direktor Rau bemühte sich sehr diesen Mangel zu beheben und schlug einigen Studierenden, auch mir, vor, Harfe als 2. Hauptfach zu belegen. Gabriele Wellinger, die Tochter des Hausmeisters studierte Harfe und später kam dann noch Gudrun Diehl aus Lohr dazu.
  3. ^ Das mehrfach ausgezeichnete Endres-Quartett war ein Aushängeschild des Staatskonservatoriums. Mitglieder waren neben dem Primarius Josef Rottenfusser (Violine 2), Fritz Ruf (Viola) und Adolf Schmidt (Violoncello). Sie waren im Orchester des Bayerischen Rundfunks tätig. Daneben gab es das Streichquartett des Staatskonservatoriums mit Heinz Endres (1. Violine), Hans Krasser (2. Violine), Karl Bender (Viola) und Franz Faßbender (Violoncello). 
  4. ^ Natürlich gab es am Konservatorium Schwärmereien, aber auch Liebesverhältnnisse unter Schülern und Schülerinnen (z.B. Annerose Gilek und Gunter Arglebe) bzw. unter den Lehrern (z.B. zwischen Prof. Bihn und Prof. Klink), und weil Liebe nicht nach Altersunterschieden fragt, auch zwischen Lehrern und Schülerinnen. Ich denke da an Prof. Daum. Auch Prof. Reinartz war in dieser Zeit verliebt in eine Schauspielerin, die dann später seine Frau wurde. Aber diese Ehe endete sehr tragisch… Meine Kollegin Wilma schwärmte für Prof. Reinartz, meine Kollegin Gerhild für Prof. Krasser und ich für Heinz Endres. Wahrscheinlich faszinierte mich aber mehr sein wundervolles Geigenspiel als er selbst. Sie wissen ja, ich liebe den Klang der Geige.