Station 2: Vielfalt

Internationalisierung

Im Rückblick auf die zurückliegenden Jahrzehnte könnte man, etwas vergröbernd, die Geschichte der Würzburger akademischen Musikausbildung als Entwicklung von einer deutschen Orchesterschule zu einer weltoffenen, international wettbewerbsfähigen Hochschule beschreiben – die immer regional verankert war. Der 1973 gewonnene Hochschulstatus hat die Entwicklung beschleunigt, nicht hervorgerufen. Denn schon vorher zeigten sich Symptome der beginnenden Internationalisierung von Musikkultur und Musikausbildung. So hatte es schon im späten 19. Jahrhundert und auch in der Zwischenkriegszeit immer wieder einzelne Musikerinnen und Musiker aus dem Ausland am Staatskonservatorium gegeben. Sie kamen vor allem aus den USA und europäischen Ländern, in den 1920er-Jahren auch aus Korea und Japan. Ab den 1960er-Jahren aber begann das Interesse ausländischer Studierender an Würzburg merklich zu wachsen. Es war zunächst vor allem Prof. Henriette Klink-Schneider, die hier wie ein Magnet wirkte. Eine erste Partnerschaft mit einer ausländischen Ausbildungsstätte wurde 1963 geschlossen: mit dem Conservatoire Nationale de Caen. 1976 wurde erstmals eine Professur mit einem Musiker besetzt, der nicht aus Deutschland stammt: Boris Goldstein (zu ihm siehe unten). Den internationalen Austausch von Studierenden und Dozenten fördern mittlerweile Stipendienprogramme und Zuschussmittel u.a. des DAAD.

Auch beim Konzertrepertoire kann man die Entwicklung einer Offenheit für Musik jenseits der deutschen Klassiker beobachten. Impulse gaben dafür etwa die Etablierung der französischen Posaunenschule durch Prof. Walter Daum (1952 berufen), die zunehmende Erschließung der sogenannten Barockmusik und auch das behutsam wachsende Interesse an der zeitgenössischen Kunstmusik. Die Programme der seit 1977 bzw. 1982 bis heute jährlich im Wechsel an der Hochschule stattfindenden „Tage der Neuen Musik“ bzw. „Tagen der Alten Musik“ zeigen dies deutlich. Die im Opernfach traditionell verankerte Internationalität des Repertoires bekam Anfang der 1980er-Jahre (wohl als Reaktion auf den Wandel im Berufsprofil der Sängerinnen und Sänger) mit der Berücksichtigung des Musicals, damals einmalig in Bayern, eine spezifische Note.

Am zentralen Stellenwert der Klassiker in der Ausbildung hat sich im Großen und Ganzen nichts geändert. Kanon und Studium gehören unlöslich zusammen; sie sorgen für die Vergleichbarkeit der Leistungen. Doch bietet die Hochschule je nach Studiengang und Interesse im Einzelunterricht, in den Hochschulensembles und auch in den theoretischen Fächern auch die Gelegenheit zur Beschäftigung mit Musik anderer Epochen, Kulturen und Aufführungspraktiken. Als symbolisch kann das gemeinsame Musizieren von Musikerinnen und Musikern aus dem Klassik-, Jazz- und Popbereich der Hochschule im Rahmen des Festakts am 2. April gelten. Was daraus erwächst, wird die Zukunft zeigen.