Barbara Schlick
über ihre Studienzeit am Staatskonservatorium 1961 bis 1967
Die Sopranistin Barbara Schlick studierte in Würzburg bei Henriette Klink-Schneider sowie bei Hilde Wesselmann in Essen, außerdem zählen Gisela Rohmert und Rudolf Piernay zu ihren Lehrern. Als international anerkannte Interpretin barocker und klassischer Musik absolvierte sie Auftritte in vielen Metropolen der ganzen Welt. Bei zahlreichen europäischen Festivals für Alte Musik hat sie mit namhaften Dirigenten zusammengearbeitet. Ihr Wirken ist umfänglich durch Ton- und Filmaufnahmen belegt. Auch auf dem Gebiet der Liedinterpretation war sie zusammen mit der Pianistin Elzbieta Kalvelage sehr aktiv, was verschiedene auf CD erhältliche Aufnahmen zeigen.
Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit gab sie elf Jahre lang an der HfM in Würzburg ihr Wissen an Studierende weiter, zudem dreizehn Jahre lang als Professorin für Gesang an der HfM in Köln, ebenso als Dozentin bei verschiedenen internationalen Workshops und Meisterkursen.
Meine Erinnerungen an das Studium in Würzburg beginnen im Jahr 1961 kurz vor meinem Abitur. Ich durfte Klavierunterricht nehmen am damaligen Bayerischen Staatskonservatorium der Musik. Mein Klavierlehrer war der von mir hochverehrte Prof. Karl Wingler, der nicht nur einen wunderbaren Unterricht gab, sondern auch viele musikalische und auch menschlich wertvolle Eröffnungen gab. Nie werde ich seine kompetente, freundliche Art vergessen und auch manche Warnungen vor den „bösen, gefährlichen Buben“ der Bläserklassen, auf die ich nicht reinfallen sollte. Wie oft bin ich nicht büßend den Judenbühlweg zur Villa Völk hinaufgeschlichen, wenn ich wiedermal nicht genug geübt hatte, und nach einer doch nicht so erfolglosen Stunde wieder erleichtert heruntergetänzelt, mit dem heiligen Vorsatz, beim nächsten Mal die Beethoven-Sonate viel besser vorzustellen und dafür fleißig zu üben. Jaja!
Aber ich wollte ja eigentlich und unbedingt Opernsängerin werden, nachdem ich mit 8 Jahren die Zauberflöte gehört und gesehen hatte. Also schlich ich mich manchmal in den oberen Stock der Villa, wo die Sänger und Sängerinnen ihren Unterricht bei der berühmten Professorin Henriette Klink-Schneider bekamen, und lauschte gebannt den meist sehr schönen Tönen. Mein Ziel!
Meine Eltern haben mich sehr unterstützt, was das Singen anbetraf, waren aber der Meinung, dass ich doch zuerst einen „Brotberuf“ erlernen sollte. Und das habe ich dann an der Pädagogischen Hochschule gemacht. Gleichwohl bekam ich nach dem Abitur als Gesangs-Hospitantin bei Prof. Klink Unterricht. Ich war ziemlich schüchtern, obwohl ich den Klang meiner Stimme mochte, und dementsprechend sehr nervös in der ersten Zeit. Aber sie hat mich sehr behutsam, freundlich, ja manchmal auch fröhlich und auch stringent in die Welt des Gesangs geführt und die Anforderungen immer etwas höher geschraubt. Sie war eine starke Persönlichkeit und oft sehr klar und direkt in Ihren Vorstellungen. Sie liebte die größeren Stimmen wie z.B. die von Catarina Ligendza und Gunnel Eklund und manchen gestandenen Opernsängern, u.a. auch von der Würzburger Bühne, sehr. Ich hatte schon den Eindruck, dass sie u.a. auch mir sagte, was sie von den Möglichkeiten im Beruf hielt und wie die realistischen Chancen wären. Sie sagte mir auch, dass meine Stimme für die Oper zu klein war, was auch stimmte, aber mir auch weh tat und mich lange noch bekümmerte. Ich glaube, dass sie sehr froh war, dass ich diesen Weg in die Alte Musik einschlagen durfte und freute sich dann sehr über meinen langsam wachsenden Erfolg. Das war ja alles nicht selbstverständlich, da in dieser Zeit die „echte“ Musik erst bei Mozart anfing und Bach schon eine Seitenschiene war.
Die Stunden bei Frau Klink waren eigentlich immer recht intensiv, wenn man gut vorbereitet war und dann war sie meist sehr aufgeschlossen und angenehm fördernd. Am meisten legte sie Wert auf einen sehr guten Vordersitz der Stimme und die Kopf-Resonanzen (man erkannte uns immer am sog. „Klink-Mund“, was auch zu manchen Späßen führte), aber auch die sog. Stütze und Haltung wurde immer wieder geübt. Sie gab uns auch viele gute Übungen zum Einsingen, wobei mir besonders die Koloraturübungen in Erinnerung geblieben sind.
Daneben hatte ich Korrepetitionsstunden bei Prof. Kurt Hausmann, der mich mit einer ungeheuren Genauigkeit und positiver Verstärkung u.a. mit Bachscher Musik vertraut machte und mir da schon den Weg zeigte in meine spätere Laufbahn. Er hat mich sehr gefördert und auch meine Professorin hat das gut gefunden und mich unterstützt, da meine leichte und klare Stimme gut zu dieser Musik passte. Ich habe auch im Bachchor an St. Johannis unter Günther Jena gesungen, der mir dann auch Soloaufgaben übertrug – und so ging es weiter.
Da ich aber vorerst noch immer Opernfanatikerin war, unterrichtete mich Prof. Karl Bihn ebenfalls sehr gut und engagiert und fordernd in diesem Fach. Und dann kam die darstellerische Seite der Opernschule unter dem damaligen Würzburger Intendanten Hans Scherer dazu, ein echt großartiger, sehr strenger Lehrer, wie man ihn selten findet, wie ich heute weiß. Unvergesslich, wie er uns die Arie der Carmen vorspielte und vortanzte und wir alle das nachspielen mussten, egal ob Soubrette oder schwarzer Bass. Ich durfte 1963 einen ersten Opernabend im Gartensaal der Residenz mitmachen als Gilda im Duett und Quartett aus Verdis Rigoletto und war sterbensnervös – mein Rigoletto auch. Da danke ich all meinen Hochschullehrern von Herzen, dass sie uns motivieren und stärken und weiterbringen wollten und konnten und uns auch etwas zutrauten.
Als ich 1965 das Examen der Pädagogischen Hochschule in der Tasche hatte und endlich am Staatskonservatorium voll studieren wollte, da hatte ich schon so viele Konzertengagements. Ich war bis Februar 1967 als Studentin eingeschrieben, hatte aber eigentlich keine Zeit mehr für das Studium. So bin ich 1967 mit dem Hamburger-Barockensemble Adolf Scherbaum auf große Tour gegangen und damit ging es mit der Alten Musik immer weiter. Was hab ich für ein Glück gehabt!
Ja, die Nachfeiern, Semestertreffen und Klassenausflüge der Klasse Klink waren natürlich Höhepunkte, es wurde manchmal gesungen, öfter sehr weinselig wie etwa im Weinkeller in Iphofen oder in Würzburger Weinstuben. Und mittendrin in diesem verrückten „Haufen“ unsere Professorin Henriette, wie wir sie dann nennen durften, mitsingend, mitbechernd, mit fröhlichem Lachen und lustigen Geschichten. Diese Tradition haben wir noch länger fortgesetzt.
Danke an alle, die uns das Singen beigebracht haben!
Barbara Schlick (Dez. 2016)