Anhand von Video-Aufnahmen werden seit Projektbeginn August 2021 alle zwei Wochen oft an mehreren Tagen hintereinander historische und zeitgenössische Orgeln sowie Lehrinhalte insbesondere zu Musik und Hermeneutik von J. S. Bachs Kompositionswerk und Max Regers Orgelwerken digitalisiert. Bis Ende Oktober 2022 werden 66 Drehtage durchgeführt sein. Das Zentrum der historischen Orgel bildet der Kulturraum Süddeutschland, heute Mitteldeutschland und Süddeutschland; er ist von Frankreich und Italien beeinflusst. So war Würzburg im 18. Jahrhundert einst eine Hochburg des europäischen Orgelbaus. Wenn die warme Jahreszeit anbricht, ist das Team mit seinem künstlerischen Leiter, Prof. Dr. h.c. Bossert, in den Kirchen unterwegs. Für das sechsköpfige Team ist jede Reise eine Herausforderung: Keine Orgel gleicht der anderen, jedes historische Instrument ist für sich ein Individuum, ein Kunstwerk an sich. Viele Abläufe sind bei der Produktion zu beachten: u. a. die individuelle Kommunikation mit den jeweiligen Verantwortlichen vor Ort, da die aufzunehmende Orgel gestimmt sein muss. Ein in mehrstündiger Vorbereitungszeit ausgearbeitetes Skript zum jeweiligen Instrument (u. a. zzgl. Literaturliste, Geschichte zum Instrument, Besonderheiten des Instrumentes) ist Grundlage für alle Mitwirkenden. Prof. Dr. h.c. Bossert arbeitet anhand von Improvisation und Literatur die Orgelklänge und ihre Wirkung heraus, referiert und philosophiert darüber. Auch wirken z. T. die Studierenden mit Beiträgen und Lehrstunden mit.
Ein Produktionstag beträgt bis zu 12 Stunden. Wenn es tagsüber zu laut ist oder, wenn Führungen in der Kirche stattfinden, arbeitet das Team nachts. Die meisten Instrumente stehen im ländlichen Raum, nur selten in einer Großstadt, da das 20. Jahrhundert viele Orgeln zerstört hat. Mittlerweile wurden historische Instrumente von Stralsund bis Bad Wimpfen dokumentiert. Es folgt nun eine europäische Orgelreise nach Riga, Holland, Frankreich, Italien, Schweiz, Österreich bis in den ganzen osteuropäischen Kulturraum.
Die Videos werden nach dem Rohschnitt unter Beteiligung von Studierenden und ehrenamtlich Mitarbeitenden begutachtet und kommentiert. Nach der Mitteldeutschland-Produktion – unter Mitwirkung von bis zu 15 Teilnehmenden – ist das inhaltliche Konzept von Prof. Dr. h.c. Bossert auch digital mit der Orgelklasse der HFM Weimar verknüpft. Die Videos werden mit englischen Untertitel versehen und musikwissenschaftlich untermauert. Sie werden zukünftig in einer im Aufbau befindlichen digitalen Lehrbibliothek, über Lehrplattformen und Homepage zur Verfügung gestellt. Mittlerweile ist auch die Musikhochschule in Iowa in das bestehende Netzwerk mit eingebunden.
In der kalten Jahreszeit wurden an 18 Produktionstagen Lehrinhalte zu Musik und Hermeneutik an unserer Konzertsaalorgel produziert; mittlerweile kann diese auch als Schritt in die Hyper-Organ mit zusätzlich vier separaten Keyboards gespielt werden. Dank eines im September 2022 von der ‚Stiftung Innovation in der Hochschullehre‘ bewilligten Erweiterungsantrags können darüber hinaus Lücken in der Orgellehre geschlossen werden: so wird die Lehre der Orgel-Kunst an unserer Hochschule zukünftig durch eine gotische Orgel ergänzt; diese Orgel schließt damit die Lücke in der Lehre der Improvisation und Literatur des ‚Mittelalters‘. Des Weiteren wird anhand eines Orgel-Modells zukünftig die unterschiedliche Bauweise einer Orgel auf kleinstem Raum erlebbar werden.
Thilo Frank, Koordination DVVLIO